Pfusch am Bau – ein Rennrad soll entstehen

Das letzte Rennrad wurde im Jahr 2021 angeschafft (ein 8,5 kg Aero-Bomber) und aus Lust und Langeweile heraus entstand im verregneten Dezember 2023 die Idee, sich als absoluter „Schrauberanfänger“ an einem Rennradaufbau zu versuchen. Kurzer Spoiler für alle, die sich vielleicht auch schon lange diesen Schritt überlegen: Macht das! Man sammelt unglaublich viele gute Erfahrungen und es ist verdammt befriedigend! 😊

Doch warum überhaupt dieser Aufbaugedanke? Mit der Absicht in diesem Jahr erneut an einigen bergigen Alpenmarathons teilzunehmen (Tannheimer, Ötztaler & Co lassen grüßen), kam der Wunsch auf, sich doch vielleicht ein etwas leichteres Gefährt unter den Allerwertesten zu klemmen. Trotz der derzeit etwas sinkenden Preise auf dem Radmarkt brachte die erste Suche nach einem leichten Endurance-Rennrad ernüchternde Ergebnisse. Mein Ziel war es immerhin, fahrfertig am Ende unter 7,5kg zu liegen und dabei um die 3000€ auszugeben. Selbst die bekannten Bild1Direktversender konnten bei diesen Vorstellungen leider nicht mithalten. Logische Konsequenz war es, sich nach einem geeigneten China-Rahmen umzusehen, um einen der größten Ausgabeposten ordentlich zu drücken. Mir war klar, dass hierbei einige Risiken & Nachteile in Kauf genommen werden (Versand, Zoll, Qualität, Aftersaleservice, etc.) müssen, aber Erfahrungen im Bekanntenkreis stimmten mich positiv. Was blieb, waren dennoch die nagenden Zweifel, ob ich überhaupt ein Rennrad zusammenbasteln könnte oder ob alles am Ende ein teures „Try&Error-Projekt“ werden würde. Deshalb zog sich auch die Recherche nach einem passenden Hersteller, weil der letzte Wille zum „Ich drücke nun auf den Bestell-Button“ noch nicht ganz ausgereift war. Nach vielem Lesen von Reviews, dem Anschauen von Youtube-Aufbauvideos, den Informationen im Forum auf www.rennrad-news.de, dem Umsehen auf Webseiten verschiedenster Rahmenproduzenten (Speeder Cycling, Velobuild, Winspace, Carbonda, Tantan, etc.) sowie dem Vergleichen diverser Reach- und Stackwerte fiel die Wahl auf folgenden Rahmen: FM639 von Tantan-Cyclings. Hier erschien mir das Preis-/Leistungsangebot am besten und auch viele Reviews sprachen für eine akzeptable Seriosität des Herstellers. Bild2Es bleibt natürlich anzumerken, dass man bei einer Bestellung aus Fernost immer ein wenig die Katze im Sack kauft. Dieses Risiko muss am Ende jeder für sich selbst abwägen. Was empfehlenswert ist, bei der Bestellung gleich diverse Ersatz(klein)teile (Schaltauge, Steuersatz, usw.) mitzubestellen, sodass diese im Notfall bereits in Besitz sind.

Nach einem abschließenden Zögern („Braucht es wirklich schon wieder ein neues Rad? Kommt der Rahmen gut in Deutschland an?“) wurde bestellt und der Rahmen kam bereits nach 2 Wochen an – da konnte man sich nicht beschweren! Karton war unbeschädigt und alle Einzelteile sicher verpackt. Auf den ersten Blick konnte man auch am Rahmen keine Lackfehler entdecken. Auch die Kanten/Übergänge am Tretlager oder Steuerrohr waren soweit glatt, nur an der hinteren Bremssattelaufnahme musste ich ein wenig Lack abschleifen. Alle sonstigen Anbauteile sind der folgenden Teileliste zu entnehmen.

 

Teileliste (Planung):

Part

Kosten

Gewicht

Rahmen Tantan FM639 (inkl. Versand & Steckachsen, 2x Schaltauge, Lenker-/Vorbaueinheit, 2x Steuersatz, 2x Expander, Garminmount, Sattelstütze)

706€

1000g Rahmen inkl. Steckachse hinten, 327g Lenker, 401g Gabel (ungekürzt), 163g Steuersatz & Spacer, Sattelsützte 211g, 33g Garminmount, 29g Steckachse vorne

Kassette SRAM Red Axs 10-33

250€ (inkl. Kette)

210g

Kette SRAM Red

 

262g (ungekürzt)

LRS Carl-Z Z30i21SL

844€

1254g

SRAM Force eTap AXS Road Disc HRD

775€

1584g

SRAM Red Kurbel 46/33

485€

570g

Innenlager Contec

45€

104g

2x Flaschenhalter AlieExpress

16,65€

51g

Elita One Seatpost AlieExpress

39,11€

154g

Ryett Sattel AlieExpress

26,37€

158g

2x Conti GP 5000 700x28

89€

481g

2x Ridenow TPU Schlauch

25,99€

64g

BBB BHT-14 Lenkerband

18,46€

96g

Favero Assioma Duo Powermeter-Pedale

Bereits in Besitz

299g                    

Summe

3320,58€

7240g

Nach Bestellung diverser Anbauteile, Kleinteile und Werkzeug, was ich zum Aufbau noch benötigte (Carbonsäge, Sägeführung, Cuttertool für Hydraulikleitungen, SchraubschlüsselBild3, Innenlagerschlüssel für Tretlager, etc.) konnte ich endlich loslegen. Mein Preisbudget habe ich zwar ein wenig nach oben ausgereizt, aber am Ende konnte ich dann doch mit einem Endgewicht von 7310g (noch anderen Garminmount montiert, Schaumstoffummantelung Hydraulikleitungen, etc.) äußerst glücklich sein. Vor den ersten Arbeitsschritten stand natürlich für jedes Einzelteil der Gang auf die Waage an.

Bild4Beginnen wollte ich mit dem Wachsen der Kette. Dies hatte ich noch nie bei einem meiner anderen Räder gemacht und ich entschied mich für (doch recht teuren) Produkte von Silca. Deren Entfetter (Chain Stripper) leistete bei der neuen Red-Kette aber sehr gute Arbeit und auch das Heißwachsen im Sous-Vide-Beutel gelang entspannt. Zum Aufhängen und Trocknen der Kette funktionierte ich eine alte Speiche um. Später sollte muss man dann auf den ersten Kilometern erst noch das überschüssige Wachs loswerden – bis dahin läuft die Kette noch nicht ganz reibungslos! Alles in allem ein recht einfacher Prozess, über die Performance im Alltag werde ich erst später berichten können, denn das neue Schätzchen kommt nicht auf die Straße, bevor diese komplett trocken und salzfrei ist.

Als nächstes folgten andere sehr leichte Arbeiten: auf den Laufrädern wurden die Bremsscheiben und die Kassette montiert, die Felgen bekamen Conti-Mäntel und TPU-Schläuche (mal wieder nicht auf die Ausrichtung Ventil – Mantelschrift geachtet!), die AXS-Schaltkomponenten wurden gekoppelt und auf die neueste Firmware gebracht, das Schaltauge geprüft und Sattel sowie Sattelstütze befestigt. Am hinteren Bremssattel schliff ich bei der Aufnahme noch etwas Lack mit Schleifpapier ab, sodass der Sattel plan auflag.

Bild5Nun ging es an den ersten Arbeitsschritt, der mich etwas unruhig stimmte: das Kürzen des Gabelschafts. Lieber mehrmals abmessen (Aufbau des Expanders und der Aheadkappe beachten!) und überlegen, dann erst zur Tat schreiten. Zur Sicherheit wurden vorerst noch einige Spacer als Reserve eingeplant und ein späteres, erneutes Kürzen in Betracht gezogen. Mit der Sägeführung gelang ein sauberer Schnitt und die Gabel war gekürzt – war doch entspannter als gedacht! Nachdem ich keinen Spacer über dem Vorbau wollte, musste man nur darauf achten, dass die Klemmung des Vorbaus unter der oberen Kante des Gabelschafts lag, sodass diese noch sauber greifen konnte.

Bild6Danach kappte ich die Bremsleitungen an den Bremshebeln (bei SRAM kommt das ganze als geschlossenes System) und verlegte die Leitungen im Rahmen. Da ich mit Absicht auf eine kabellose Schaltgruppe geachtet hatte, erwies sich der Platz im Inneren des Rahmens als völlig ausreichend. Beim Durchführen brauchte ich keinerlei Liner oder andere magnetische Hilfstools. Außerdem klebte ich um die Enden der Leitungen Klebeband, damit nicht unnötig DOT austreten konnte. Um einem Klappern entgegenzuwirken wurden die Leitungen noch mithilfe von Schaumstoff ummantelt.

Der nun folgende Arbeitsschritt kostete mich am meisten Nerven. Die beiden Bremsleitungen mussten durch den Vorbau, den Spacer und den Lenker geführt werden. Durch die Biegung der Leitungen und der damit verbundenen Spannung drehte es mir am Anfang immer den Lenker von selbst auf eine Seite. Erst nachdem ich die Leitungen vorsichtig mit Föhn erhitzt hatte, konnte ich diese bearbeiten bzw. in die richtige Richtung biegen. Außerdem musste die Leitungsführung noch einmal geändert werden, da beim Drehen des Lenkers immer Reibgeräusche zu hören waren. Um die Leitung der vorderen Bremse beim Austrittsloch am Gabelschaft zu schützen, wurde diese festgetaped. Als endlich alles sachgemäß funktionierte, befestigte ich die beiden Bremshebel (lieber erst einmal zu niedrig, dann sind später die Leitungen lang genug) und schloss die Leitungen wieder an. Zum Abschluss der Bremsanlagenmontage entlüftete ich noch die Bremsen und richtete die Bremssättel korrekt aus. Bild7

Jetzt war bereits das Gröbste geschafft und ich war erstmal erleichtert, noch nichts kaputt gemacht zu haben (außer einer Opfer-Aheadkappe 😊). Der Rest zeigte sich wieder als äußerst machbar: Innenlager montiert (hier hatte ich ein Pressfitlager der Firma Boxfit, welches sich ineinander verschraubt – so brauchte ich auch kein Einpresstool und ich kann es später wieder sehr leicht ausbauen), Kurbel montiert und Bild8Umwerfer sowie Schaltwerk angebracht. Die Montage gelang problemlos, die SRAM Videos hierzu sind klasse! Zum Abschluss wurde die Kette abgelängt und befestigt, Pedale, Flaschenhalter und Garminmount montiert sowie das erste Mal ein Lenkerband gewickelt (zum Verhunzen & Testen habe ich zu Anfang ein altes in weiß genommen, später schwarzes Band, bereits im Besitz). Krönendes Finish: das Anbringen einiger Decals, damit der mattschwarze Rahmen noch ein wenig optisch aufgewertet wird – die Marke „Maxwell“ ist gegründet. 😉

Fazit: Baut euer eigenes Rennrad! Es ist wirklich leichter als gedacht (selbst für einen völligen Anfänger auf diesem Gebiet) und wenn man sich genug Zeit gibt und nicht meint, dass das ganze gleich nach ein bis zwei Stunden fertig ist, gelingt einem doch das ganze recht einfach. Natürlich hat eine Funk-Schaltgruppe das ganze begünstigt und spielte schon eine nicht ganz unerhebliche Rolle beim Gedanken „Trau ich mir das zu?“. Zu den oben genannten Kosten kommen natürlich noch Ausgaben für diverse Werkzeuge dazu, aber auch das hält sich in Grenzen. Theoretisch hätte man die Gabel auch einfach bei der Radwerkstatt seines Vertrauens kürzen können.

 

 

Bild9

Am Ende überwiegt einfach die Freude über sein selbst geschaffenes Werk: ein 7,3kg Renner für etwa 3300€ mit Force-AXS-Schaltgruppe, Carbon-LRS, RED-Kurbel & Kassette, und und und …

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Autor: Max Stark, Team WattFabrik