Die Einteilung der Rennteilnehmer in Kategorien ist schon länger ein Problem auf Zwift. Der größte Kritikpunkt ist die Tatsache, dass Fahrer bisher strickt nach Leistungswerten eingeteilt wurden, ohne dass eine ständige Platzierung an der Spitze zu einem Aufstieg in die nächsthöhere Kategorie führte.
Fahrer, die ihre Leistungswerte im Rennen genau beobachten und ggf. drosseln, um einen Aufstieg in die nächste Kategorie zu vermeiden werden als Sandbagger bezeichnet. Sandbagging untergräbt den Geist des fairen Wettkampfs und kann die Erfahrung für andere Radfahrer negativ beeinflussen. Daher hat dieses Verhalten innerhalb der Zwift-Community zu Diskussionen geführt, was dazu führte, dass Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Ein neuer Baustein hierzu ist die Entwicklung des Zwift Racing Score (ZRS).
Bild: ZwiftPower.com
Tim Hanson hat mit seinem Community Projekt ZwiftRacing. App schon früh die Idee einer ergebnisbasierten Kategorisierung erfolgreich umgesetzt. Viele Fahrer schauen regelmäßig auf der Webseite vorbei um die Auswertung der Ergebnisse einzusehen. Wer für die erstmalige Nutzung Hilfe benötigt, wird hier fündig.
Bild: ZwiftRacing.App
Zwift hat dieses System zwar nicht übernommen aber zumindest wurde Tim Hanson als Berater engagiert und er konnte bei der Entwicklung des ZRS seine Expertise einbringen. Seit Juni laufen nun testweise Rennen auf Zwift, die sich auf den ZRS der Fahrer auswirken und die Einteilung der Fahrer in die Startpens über den ZRS erfolgt. Inzwischen wird der ZRS auch auf der Profilseite aller Fahrer auf ZwiftPower angezeigt, der eigene ZRS Wert kann auf Zwift.com und in der Companion App eingesehen werden.
Berechnung des ZRS
Derzeit (Stand August 2024) wird der ZRS wie folgt berechnet:
Für alle Fahrer wird zuerst ein sogenannter Seed (Grundwert) aus der besten 30-Sekunden und 600-Sekunden Leistung (90 Tage Fenster) berechnet. Anschließend wird das Fahrergewicht in die Berechnung mit einbezogen. Heraus kommt ein ZRS-Grundwert den ein Fahrer nicht unterschreiten kann. Dieser Wert kann theoretisch zwischen 0 und 1000 liegen. Tatsächlich lagen die Werte anfangs nicht über 850, so dass genug Raum für Steigerungen nach Rennteilnahmen gegeben war.
Für die meisten ambitionierten Fahrer der bisherigen Kategorien C, B und A wurden Werte zwischen 300 und 650 errechnet. Derzeit verteilt sich der ZRS aller Fahrer auf Zwift wie folgt:
Quelle: https://forums.zwift.com/
Die Idee des ZRS ist nun, dass direkt nach einem Rennen der ZRS basierend auf dem Ergebnis neu berechnet wird. In diese Berechnung wird die Platzierung, aber auch die Stärke der Mitfahrer einbezogen. Nimmt ein Fahrer länger nicht an Rennen teil reduziert sich sein ZRS auch wieder, allerdings nie unter den Grundwert. Um künftig möglichst gleichstarke Fahrer in Kategorien gegeneinander fahren zu lassen, soll der ZRS als Grundlage für die Einteilung dienen. Details hierzu wurden noch nicht bekannt gegeben. Vielmehr werden derzeit verschiedene Varianten getestet und die Rennergebnisse ausgewertet. Teilweise werden hierzu bis zu 10 Pens (Startblöcke) genutzt.
Natürlich führt ein neues System zu neuen Diskussionen und nicht jeder Fahrer ist mit dem neuen System glücklich. Tatsächlich wurden für meinen Geschmack besonders schwere Fahrer etwas zu hoch bewertet. Sie verfügen aber naturgemäß über hohe absolute Sprintwerte, die für die Berechnung des Grundwertes mit herangezogen werden. Auch wenn sie jetzt in Rennen regelmäßig die hinteren Plätze belegen, können sie nicht unter ihren Grundwert fallen. Das ist natürlich ein Problem.
Eigene Erfahrungen mit dem ZRS
Ich selbst habe mit dem ZRS bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Kurz vor der Testphase wurde ich in die Kategorie C herabgestuft. Diese habe ich bis heute behalten. In C-Rennen konnte ich meistens einen Platz auf dem Treppchen ergattern auch wenn ich gefühlt keinen guten Tag hatte. Vor meinem Abstieg war ich in der Kategorie B immer gefordert und nicht selten überfordert und konnte dem Hauptfeld häufig nicht mehr folgen. Überspitzt könnte man sagen: „Für B zu schlecht, für C zu gut.“ Soweit zur Ausgangslage.
Bei meinen ersten ZRS-Rennen war die Leistung der Teilnehmer ausgeglichener. Ich selbst konnte gut mitfahren und belegte regelmäßig Plätze im Mittelfeld. Dies entsprach auch meiner gefühlten Form. Um ganz vorne mitfahren zu können, müsste ich einen „Sahnetag“ erwischen und ich glaube, das ist auch das Problem einiger Kritiker am ZRS. Sie sind es einfach gewohnt, ständig um den Sieg mitzufahren und fühlen sich jetzt in einem ausgeglichenen Feld nicht mehr wohl.
Bild: ZwiftPower.com
Nach den Rennen wurde mein ZRS angepasst und meistens ging er zwischen 4 und 10 Punkte nach oben. Urlaubsbedingt bin ich 2 Wochen nicht gefahren und der ZRS ging langsam wieder runter. Inzwischen konnte ich den ZRS wieder steigern und liege jetzt knapp 15 Punkte über meinem Grundwert. Das zeigt mir, dass meine Leistungsfähigkeit in Rennen schon sehr gut mit dem Grundwert errechnet wurde.
Fazit
Der ZRS stellt sicherlich noch nicht die Goldrandlösung für das Sandbagger-Problem dar, aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt noch einige Baustellen, die von Zwift abgearbeitet werden müssen. Dabei ist es immer ein Spagat ein robustes System aufzustellen und gleichzeitig die Manipulationsmöglichkeiten zu reduzieren. Aus dieser Tatsache resultiert wahrscheinlich auch die Regelung, dass der ZRS nicht unter den Grundwert fallen kann. Gleichzeitig ist das dann ein Problem, wenn man beispielsweise nach einer längeren Krankheit wieder Rennen fährt und sich die Leistungswerte noch im 90 Tage Fenster befinden, man aber noch nicht so leistungsfähig ist, wie vor der Erkrankung.
Ich würde mir wünschen, dass der ZRS noch dynamischer wird und Fahrer auf Spitzenplätzen mehr Punkte erhalten, damit sie schneller in die nächste Kategorie gespült werden. Umgekehrt sollten Fahrer, die mehrfach in Rennen hintere Plätze belegt haben in tieferen Kategorien starten dürfen.
Das würde aber wahrscheinlich auch wieder Manipulationsmöglichkeiten öffnen. Daher ist die behutsame Anpassung womöglich doch der bessere Weg. Vielleicht wären auch dynamische Kategorien Grenzen ein möglicher Ansatz. Damit wäre man mal Favorit, mal Herausforderer.
Manche Fahrer bemängeln, dass die Wattwerte aus langen Intervallen (Bspw. der 20- oder 30- Minutenwert) bei der Berechnung des Grundwertes keine Rolle spielen. Hier wird gegenargumentiert, dass viele Fahrer gar keine Maximalwerte über diese langen Intervalle auf Zwift gefahren sind und somit eine Berechnung mit diesen Werten nicht präzise sein kann.
Dass Zwift die genaue Berechnung des ZRS nicht veröffentlicht finde ich gut, da dadurch die Manipulationsmöglichkeiten reduziert werden. Dafür nehme ich etwas Intransparenz gerne in Kauf.
Ein weiteres Problem ist der Umgang mit Fahrern, die ein Rennen nicht beenden oder deutlich unter ihren Möglichkeiten fahren. Das absichtliche Aussteigen aus einem Rennen, wenn keine Chance auf eine gute Platzierung besteht, ist eine Unsportlichkeit, die wir schon vom Race Ranking auf ZwiftPower kennen. Hier stellt sich dann die Frage wie sich dieser Umstand auf die Bewertung der anderen Fahrer auswirken soll. Bezüglich der "Bummelfahrten" könnte ein Abgleich des Durchschnittspulses mit dem Maximalpuls eine Möglichkeit sein, um die tatsächliche Belastung zu bewerten.
Auch das Profil der Strecke, spielt derzeit bei der Berechnung, anders als bei ZwiftRacing.App, keine Rolle. Da unterschiedliche Fahrertypen unterschiedliche Strecken bevorzugen spielt das jedoch eine Rolle bei der Bewertung der Leistung bzw. bei der Voraussage des Rennausgangs und dem anschließenden Abgleich mit den Ergebnislisten.
Ist der ZRS perfekt? Mit Sicherheit nicht und jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Aber die Einführung des ZRS kann ein wichtiger Schritt sein, um allen Fahrern mehr Spaß in Rennen zu bescheren. Kritikern sei gesagt, dass es ganz natürlich ist, dass man nicht in jedem Rennen vorne mitfährt und in jedem Rennen, egal nach welchem System, werden Fahrer am Ende des Fahrerfeldes platziert sein.
Möglichkeiten zur Teilnahme an Testrennen
Der ZRS befindet sich derzeit in der Testphase. Zwift wird noch einige Anpassungen vornehmen. Ich hoffe, dass sich der ZRS dann als neuer Standard für die Einteilung der Rennteilnehmer etablieren kann.
Wer selbst an ZRS-Rennen teilnehmen möchte, kann in der Companion App unter Clubs „Zwift Labs“ beitreten. Dort sind dann unter Club Events die Rennen gelistet.
Eine weitere Übersicht gibt es hier.